Marina Rajkovic behind her store window

Interview

Fashion MIE: Eine grüne Oase, die bleibt

Im Gespräch mit Boutique-Inhaberin Marina Rajkovic

Fashion Mie heißt die kleine Boutique von Marina Rajkovic in Reutlingen mit nachhaltiger Mode. Marina hat ihre Herzensangelegenheit Faire Mode zum Beruf gemacht. Nachhaltigkeit ist in der Modeindustrie keine leichte Aufgabe: Mode, die Branche der kreativen Träumer, hat eine Seite, die leider gar nicht zum Träumen einlädt: um im Preiskampf mit der großen Konkurrenz mithalten zu können, nehmen viele Mode-Unternehmen extreme Mitarbeiter-Ausbeutung und große Umweltsünden in Kauf. Um sich mit der Gegenbewegung „Slow Fashion“ – fair und nachhaltig produziert - auf dem Markt behaupten zu können, ist mehr als Knowhow gefragt: Leute, die im Slow Fashion Business sind, brauchen außerdem eine Extraportion Leidenschaft, Engagement und Durchhaltevermögen.  

detail of a fashion store
Wann hast du dein Interesse für Mode entwickelt Marina?

Meine Mutter hat in einer Textilfabrik gearbeitet und durfte fehlerhafte Stoffe mit nach Hause nehmen. Damit bin ich als Sechsjährige im Urlaub in Kroatien zu unserer dortigen Nachbarin gegangen, die Schneiderin war. Mein erster maßgeschneiderter Rock war das Highlight dieses Urlaubs. Als Kind wollte ich Modedesignerin werden und habe es geliebt, Kleider aus Modekatalogen abzuzeichnen. Dann habe ich aber doch einen kaufmännischen Beruf gelernt und war erstmal eine Zeitlang von der Mode weg.

Und wie hast du dann deinen Weg zur Mode als Beruf gefunden?

Als ich eine Stelle – auch im kaufmännischen Bereich – bei der Firma Stoll angetreten habe, die Flachstrickmaschinen produzieren, war ich plötzlich wieder indirekt im Thema Mode drin und die Idee, etwas mit Mode zu machen, hat sich wieder bei mir eingenistet. Privat habe ich schon immer darauf geachtet, woher meine Kleidung kommt und wie sie verarbeitet ist. Ich habe mir überlegt, dass es viel mehr grüne Einkaufs-Oasen geben sollte – nicht nur in großen Städten wie Hamburg oder Berlin, sondern auch in kleinen Städten wie Reutlingen. Schließlich gibt es so viele talentierte Leute mit kleinen Manufakturen, die eine Plattform brauchen.  

fashion mie fashion store

"Ich habe mir überlegt, dass es viel mehr grüne Einkaufs-Oasen geben sollte – nicht nur in großen Städten wie Hamburg oder Berlin, sondern auch in kleinen Städten wie Reutlingen. " 

Und dann hast du kurzerhand deine eigene grüne Einkaufs-Oase Fashion MIE eröffnet? Das ist aber mutig aus der sicheren Stelle im kaufmännischen Bereich in die Mode-Selbständigkeit zu wechseln.

Also, die Idee einen Concept Store zu eröffnen war am Anfang noch gar nicht da. Ursprünglich wollte ich nur Schnittstelle sein zwischen Locations vor Ort und Fair Fashion Labels, aber nicht mit einem eigenen Store vertreten sein. Das heißt, ich wollte grüne Einkaufszonen in Reutlingen und Umgebung einrichten – beispielsweise ein Kleiderständer mit fairer Mode im Laden eines Optikers. Es gibt so viele tolle nachhaltige Produkte und ich wollte zeigen, dass man sie nicht immer übers Internet bestellen muss. Mit dieser Idee habe ich bei einem Start-up Programm, den „Textil Accelerator – Stoff im Kopf“ der Hochschule Reutlingen, mitgemacht.

Wow, wie gut überlegt! So musst du selbst für den Verkauf nicht vor Ort sein… Und wie kam das an?

Es war schwierig, im doch sehr konventionellen Einzelhandel Partner zu finden, die offen für diese Idee waren – noch dazu in der Corona-Pandemie. Die Inhaberin eines Upcycling-Möbelateliers, bei der ich selbst Kundin bin, hat von meiner Idee gehört und mir vorgeschlagen, bei ihr eine grüne Einkaufszone einzurichten. Ich habe nebenberuflich mit einem Kleiderständer begonnen und bald ist das Sortiment gewachsen. Auch das Upcycling Atelier hat sich vergrößert und beschloss den Umzug in einen größeren Laden. Dann kam die Frage auf: Bleibe ich hier diesen Räumen und starte meinen eigenen Store?

fashion mie portrait of marina rajkovic
Erst da hast du dich also entschieden, den Concept Store zu eröffnen?

Ja, denn inzwischen hatte ich so nette und tolle Stammkunden bekommen - und überhaupt sind die Leute neugierig auf nachhaltige Mode geworden. Es kam zwar die Corona-Pandemie dazwischen und ich konnte nicht richtig einschätzen, in welche Richtung sich mein Geschäft entwickeln würde. Aber mir war klar: Ich möchte es nicht aufgeben. Und heute habe ich vom Patent- und Markenamt meine eingetragene Wort- und Bildmarke bekommen.

Glückwunsch! Ah, apropos: Für was steht denn MIE in Fashion MIE eigentlich?

MIE steht für Made in Europe. Denn kurze Transportwege finde ich wichtig in Bezug auf Nachhaltigkeit.

„Nachhaltig“ ist ja ein dehnbarer Begriff – welche Faktoren machen für dich ein Label nachhaltig? Nach welchen Kriterien wählst du die Labels aus, deren Produkte du in deinem Store anbietest?

Nachhaltig kann so vieles sein. Upcycling, Biostoffe, hand-made, … da gibt es verschiedene Facetten und ich prüfe das jeweils individuell und schaue mir an, was hinter den Kulissen der einzelnen Labels stattfindet. Es muss nicht immer unbedingt Bio sein: Beispielsweise finde ich auch Sozialgenossenschaften nachhaltig, die ihre Produkte von Menschen mit Behinderungen oder Defiziten fertigen lassen und diesen Menschen damit einen Arbeitsplatz geben.

portrait of marina rajkovic
slow down enjoy today postcard
Als du deinen Traum „eigener Modeladen“ verwirklicht hast, hattest du bestimmt viele Hoffnungen, Erwartungen, vielleicht auch Befürchtungen. Was hat dich überrascht und was hat sich bestätigt?

Bestätigt hat sich: wenn man den Leuten mit Ehrlichkeit begegnet, auch bei der Beratung, dass man dann so viel zurückbekommt, auch an Empathie. Das hat mich sehr motiviert und war vor allem während der Corona-Krise so wichtig, als ich manchmal am Boden zerstört war. Da waren Kundinnen, die immer wieder kamen und sei es für eine Kleinigkeit. Kunden, die mir ein Eis oder eine Schokolade mitgebracht haben – einfach so. Einmal haben mir Kunden einfach so ein Croissant vorbeigebracht – die wollten an dem Tag gar nichts kaufen, sondern sind einfach nur an meinem Laden vorbeigekommen. Das sind Momente, in denen ich denke: `Wow, du hast es richtig gemacht`. Das hat mir während schwierigen Zeiten innere Stärke gegeben.   

Und gab es auch Dinge, die du so nicht erwartet hättest?

Ich habe unterschätzt, dass ein eigenes Unternehmen so viel Arbeit ist, dass man es allein kaum schafft – vor allem wenn man online und offline präsent sein will. Es gibt so viele Bereiche – Buchhaltung, IT, Marketing, … Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin alles in einem, aber man kann natürlich nicht alles selbst machen und man weiß ja auch nicht alles. Da braucht man in manchen Bereichen einfach Unterstützung. Inzwischen habe ich daher eine Werkstudentin, beschäftige eine Aushilfe, bei Bedarf eine Grafikerin und auch die Familie hilft manchmal mit.

fashion mie store counter
fashion mie store

"Wenn man den Leuten mit Ehrlichkeit begegnet, auch bei der Beratung, bekommt man so viel zurück, auch an Empathie. Das hat mich sehr motiviert."

Gerade den kreativen Modeberufen sagt man oft nach: ein schöner Traum, aber in der Realität, wenn`s um den Lebensunterhalt geht, schwierig. Was hat dich motiviert, durchzuhalten?

Man muss echte Leidenschaft für das Thema mitbringen. Und was mich immer motiviert, ist, dass ich hier so kreativ sein kann, wie ich möchte. Das konnte ich in meinem alten Job nicht. Ich habe so viele Ideen, die ich umsetzen möchte - manchmal denke ich: wie schaffe ich das in meinem einzigen Leben? Eine große Motivation ist auch das Feedback, das ich bekomme: Zwar denke ich manchmal, dass ich manches besser oder professioneller machen könnte – und trotzdem bekomme ich so viel Lob, auch wenn nicht immer alles perfekt ist.

Was waren für dich bisher die wichtigsten Lernerfahrungen in deiner Selbständigkeit?

Für mich ist wichtig, dass ich mir immer wieder auch Pausen gönne. Ich habe mir fest vorgenommen und setze es inzwischen auch schon um, dass ich mir Hilfe hole, wenn es nicht mehr geht. Dass ich mich mit der Familie und mit Freunden bespreche, um Feedback zu bekommen. Und sehr hilfreich bei der Gründung fand ich die Existenzberatung: man bekommt Einblicke, die man vorher nicht hatte, kann sich sortieren und bekommt ein Grundgerüst für den eigenen Weg – und man kann dann immer noch nach rechts oder links abweichen.

The Online Shop of Fashion MIE can be found on www.fashionmie.de

Der Fashion MIE Instagram Account mit Live Modeschauen aus dem Laden heißt @fashion_mie

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Über die Autorin: www.business-fotografin.com

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