Interview

Zur Auszeit im K`feehaus

Im Gespräch mit Verena Palermo und Alexandra Pieper in K`furt

In Kirchentellinsfurt, kurz K`furt, einem kleinen Ort bei Tübingen, gibt es seit gut 10 Jahren das gemütliche „K`ffeehaus“. Alexandra Pieper führt es liebevoll und mit viel Persönlichkeit - bis vor kurzem als Café.

Im Sommer dieses Jahres ist Verena Palermo mit ihrem Schönheitssalon mit eingezogen. Im Behandlungsraum im Haus ihrer Eltern hat Verena achtzehn Jahre lang davon geträumt, ihre Kunden „Zur Auszeit“ in der eigenen Location begrüßen zu können.

Alexandra träumte indessen von mehr Ruhe. Mit Verenas Einzug hat Alex den regulären Cafébetrieb durch Catering und Events ersetzt. Im Interview erzählen die beiden davon, wie es ist, räumlich gemeinsame Sache zu machen und trotzdem jeweils ihr eigenes Geschäft – „K`ffeehaus unterwegs“ und „Zur Auszeit“ - zu führen.

Wie habt ihr eure ersten Monate als Geschäftsfrauen mit jeweils eigenem Business unter einem Dach erlebt?

Alex: Ich bin überrascht, dass es sich so angenehm und gar nicht ungewohnt anfühlt. Verena und ich sind beide Menschen, die gerne teilen. Oft lassen wir uns gegenseitig kleine Aufmerksamkeiten da – wie in einer Beziehung, nur perfekter. Auch wenn wir viele gemeinsame Veranstaltungen machen, hat jeder seinen eigenen Umsatz. Rein geschäftlich haben wir also wenig miteinander zu tun, jeder macht sein Ding. Und in unseren Pausen können wir reden – wenn mich jemand geärgert hat, kann ich`s gleich Verena erzählen. Das nimmt den Druck und schon ist alles schöner.

Verena: Für mich war es eine Ehre hier einzuziehen und alles ist rundum gelungen. Hierher zu kommen, bedeutet für mich, Ruhe und Raum zu haben – in Kombination mit meiner Arbeit. Und es ist mir eine große Hilfe, von Alex` Erfahrungsschatz und Wissen lernen zu dürfen.

Gab es auch Herausforderungen und was habt ihr gelernt?

Alex: Wir rechnen nicht hoch, wer welche Aufgaben übernommen hat, sondern sind da liberal. Das funktioniert, weil wir beide vom Typ her gerne mehr geben als nehmen. Gelernt haben wir, unsere Kalender abzugleichen und uns gut abzusprechen.

Verena: Gerade bei Durchhängern ist es besser zu zweit: Manchmal bin ich weniger inspiriert und es fällt mir schwer, Werbung zu machen, einen Post auf Insta zu stellen, … Dann ist Alex vielleicht gerade motivierter und ich lasse mich anstecken – das tut mir gut!

Alex: In Absprache mit der anderen hat man auch eher den Mut, eine Anfrage abzulehnen, wenn das Bauchgefühl dagegenspricht. Es hat sich übrigens herausgestellt, dass wir viele gemeinsame Kunden haben. Ich freue mich jedes Mal, wenn Leute zu Verena zur Behandlung kommen, die ich schon aus dem Café kenne.

 

"Wir rechnen nicht hoch, wer welche Aufgaben übernommen hat, sondern sind da liberal. Das funktioniert, weil wir beide vom Typ her gerne mehr geben als nehmen."

Wie habt ihr überhaupt zueinander gefunden?

Alex: Verena war früher regelmäßig bei mir Café und ich war Fußpflege-Kundin bei ihr. Ich wollte meinen Betrieb gern verkleinern, denn der letzte Winter lief coronabedingt nicht gut und ich hatte fast kein Personal mehr. Als Verena mir sagte, dass sie nach Räumlichkeiten für ihr Business sucht, habe ich ihr einen Tag später angeboten, diese Räume hier mit mir zu teilen. Das K`ffeeehaus ist seit 10 Jahren im Ort für guten Betrieb bekannt, daher ist diese Location für Verena auf jeden Fall auch ein Gewinn. Dann musste ich nur noch meine Geschäftsidee ein bisschen umändern.

Alexandra Pieper decorating a cake
Statt eines klassischen Cafés führst du jetzt ein Cateringbusiness mit gelegentlichem Veranstaltungs-Cafébetrieb – ist dir die Umstellung schwergefallen?

Alex: Eigentlich habe ich nur kurz mein Logo abgeändert. Ich habe bereits vorher auch Catering gemacht. Für mich ist es daher kein großer Wechsel. Ich kann mich jetzt besser organisieren, denn es ist ja nun genau planbar, wie viele Kuchen wann gebacken sein müssen. Das tut mir gut und auch, dass mein Arbeitsumfeld jetzt ruhiger ist. Durch den Personalmangel musste ich oft überall gleichzeitig sein. Und meine Kunden freuen sich auch über ihre gelieferten Kuchen, schicken mir Feedback und das ist ein genauso schönes Gefühl wie im Café.

Hört sich nach einem unkomplizierten Neuanfang an…

Verena: Ja, alles lief Hand in Hand. Unsere Väter haben sich zusammen an den Umbau gemacht und haben für meinen Behandlungsraum eine Wand eingezogen. Alle haben sich von Anfang an gut verstanden und es war sofort Vertrauen da.

Alex: So ein Miteinander kann man nicht planen, das muss man auf sich zukommen lassen – und schön ist, wenn es dann noch besser ist als geplant.

Hat sich auch dein Business-Konzept mit dem Umzug verändert, Verena?

Verena: Viele meiner Kunden kommen jetzt zu zweit oder als Gruppe, einer bekommt eine Kosmetikbehandlung, der andere trinkt so lange entspannt seinen Kaffee – das ist genau das, worum es geht. Nach meiner Fußpflege-Ausbildung vor 18 Jahren habe ich im Haus meiner Eltern einen Behandlungsraum eingerichtet, um einfach mal zu starten. Mit meinen Fußpflege-Kunden habe ich mir eine Stammkundschaft aufgebaut - die sichere Säule, die mein Business trägt. Seitdem habe ich immer wieder Aus- und Weiterbildungen auch im Kosmetikbereich gemacht. Ich habe immer von einem Ort geträumt, an dem meine Kunden für ein paar Stunden vom Alltag abzutauchen können, ohne gleich wegfahren zu müssen – „Zur Auszeit“ eben.

Gerade in der Schönheitsbranche gibt`s ja ständig neue Trends und unglaublich viel, was man anbieten KÖNNTE. Aber man muss sich ja dann doch auf eine Linie festlegen. Was hat dir dabei geholfen Verena?

Verena: Früher habe ich mich noch von Trends verleiten lassen, habe hier noch eine Schulung und da noch eine Ausbildung gemacht. Irgendwann habe ich beschlossen, nur noch das anzubieten, was ich selbst schön finde. Jetzt mache ich nichts mehr was mit Künstlichem zu tun hat. Denn das bin ich nicht. Ich könnte viel mit Wimpernverdichtung oder Schellack verdienen. Aber Schellack zum Beispiel belastet den Naturnagel - das möchte ich nicht verkaufen. Da habe ich mittlerweile eine klare Linie: Ich muss dahinterstehen können, wenn ich etwas anbiete.

a girl getting a beauty treatment

"Ich habe immer von einem Ort geträumt, an dem meine Kunden für ein paar Stunden vom Alltag abzutauchen können, ohne gleich wegfahren zu müssen – „Zur Auszeit“ eben."

Ein Veranstaltungscafé und ein Schönheitssalon auf dem Land, das klingt erstmal nach einer Herausforderung. Es gibt nun mal nicht das Volumen an Laufkundschaft wie in der Stadt. Welche Erfahrungen habt ihr damit?

Alex: Ich finde weniger das Dorf herausfordernd als die Zeiten. Erst Corona, jetzt Energiekrise – die Leute sparen. Es ist gerade nicht die Zeit für alles.

Verena: Wir ermutigen uns da gegenseitig und beratschlagen zu zweit, welche Werbung oder Veranstaltung sich lohnen könnte und was gerade gefragt ist. Dazu hören wir genau hin, was sich unsere Kunden wünschen. Gerade planen wir ein After-Work-Event, zu dem jeder kommen kann, da sich das viele gewünscht haben. Dabei geht es nicht ums Verdienen, sondern eher darum, Werbung zu machen.

Gute Idee! Wie nehmen die Leute euer gemeinsames Angebot – Essen und Beauty für kleine Feiern – an?

Alex: Wir müssen den Leuten unser Konzept noch verständlicher machen. Dafür hat Verena süße Flyer entwickelt, die alles erklären und die wir jetzt öfter posten werden: Wir möchten gemeinsame Events für kleine Gruppen veranstalten, beispielsweise Junggesellinnenabschiede, Geburtstage, oder Firmenfeiern. Ich koche, backe und kümmere mich um die Getränke und Verena macht für jeden Gast eine Beautybehandlung. Damit das für uns beide funktioniert, müssen die Gäste sowohl Beautybereich als auch Essen und Trinken in Anspruch nehmen wollen. Um das zu verdeutlichen, haben wir uns Namen wie „Beauty und Breakfast“ überlegt. Mit den Flyern wollen wir auch zu den Firmen in der Gegend gehen: „Wer von euch ist cool genug für eine solche Weihnachtsfeier für die Abteilung?“

Was ist euer gemeinsamer Tipp für eine leckere und schönheitsstiftende Auszeit?

Alex: Idealerweise nimmst du dir ein paar Freunde mit und wir verwöhnen euch für einen Tag. Entweder ihr startet mit Prosecco, Häppchen und Kaffee, und jeder kann sich dann eine Beautybehandlung bei Verena aussuchen. Währenddessen koche ich und wenn alle fertig sind, können alle zusammen Abendessen. Oder man beginnt morgens beim gemeinsamen Frühstück und danach gönnt sich jeder eine Schönheitsbehandlung und chillt bei Kaffee und Kuchen.

Das „K`feehaus unterwegs“ und „Zur Auszeit“ sind in Kirchentellinsfurt Am Plon 2. Immer wieder haben Alex und Verena dort Veranstaltungen auf dem Programm, die sie unter anderem auf ihren Instagram Accounts ankündigen: @kffeehaus and @zurauszeit. Weitere Infos gibt es außerdem auf www.kffeehaus.de and www.zurauszeit-verenapalermo.de

Über die Autorin: www.business-fotografin.com

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