Daniela Reske portrait in her studio

Interview

„Du darfst bei Reportagen nicht perfektionistisch sein“

Im Gespräch mit Fotografin Daniela Reske

Daniela Reskes Fotografien sind wie Kino - einzigartige Erzählwelten, voller Gefühl und besonderer Augenblicke. Sie dokumentiert Hochzeiten und reist dafür schon mal ins Ausland. Wir haben uns in ihrem Atelier in Reutlingen-Oferdingen getroffen - einem ehemaligen Bootshaus am Fluss mit riesigen alten Fenstern und gemütlichem Kaminfeuer.

Daniela, wenn ich mir deine Arbeiten anschaue, komme ich mir vor wie in einem Film, den man immer weiter schauen möchte. Wie bist du zu deiner besonderen Bildsprache gekommen?

Mich hat schon immer das Journalistische interessiert – Bilder, die im Moment passieren. Als ich vor zwölf Jahren als Fotografin begonnen habe, war die Hochzeitsreportage noch nicht so etabliert. Es gab nur eine Handvoll Fotografen, die das gemacht haben. In den USA gab es die Bewegung schon länger, dass der ganze Tag begleitet und dokumentiert wird. Heute ist die Reportage im Hochzeitsbereich ja fast Standard. Ich fand die Idee schön, dass das es am Ende ein Album gibt, mit dem man diesen besonderen Tag nacherleben kann. Wann sind Freunde und Familie schon mal alle zusammen? Wichtig ist mir, das Geschehen so festzuhalten, wie es tatsächlich passiert ist – also wirkliche Reportage-Arbeit.

Wie setzt du das praktisch um?

Ich fotografiere mit 35 mm Festbrennweite. Dadurch wirken die Bilder sehr filmisch. Statt klassischen Portraits, fange ich eher Szenen ein. Ich habe mir Sachen angeschaut, die mir gefallen haben und habe mir dann überlegt: Wie ist das technisch gelöst? Was muss ich als Fotografin können? Wie muss ich mich verhalten, damit diese Szenen und Momente vor mir geschehen können? Ich muss unauffällig sein. Das steht eigentlich im Widerspruch zu den 35 mm, also erfordert es noch mehr Zurückhaltung von mir. Die Technik ist ein großer Teil meiner Arbeit. Ich zoome nicht, sondern laufe. Und ich weiß, wie ich mich bewegen muss.

Geht es dir nicht oft so, dass Leute sofort verschreckt her – oder weg – schauen, sobald eine Kamera auf sie gerichtet wird?

Oft erwischt man einen witzigen Moment, wenn eine Person gerade in die Kamera schaut. Wenn viel Miteinander stattfindet, ist es einfacher für mich. Je trubeliger, desto besser. Aber ich verhalte mich eben sehr zurückhaltend und werde dann fast nicht mehr wahrgenommen. Auf Hochzeiten ist es außerdem so, dass sich alle schön zurechtgemacht haben. Die Leute wollen dann auch fotografiert werden. Durch den definierten Rahmen ermöglicht eine Hochzeit immer viele gute Bilder - anders als würde man einfach in die Stadt gehen und fotografieren.

Was macht für dich ein gutes Bild aus?

Wenn es eine Geschichte erzählt und berührt - auf irgendeine Art und Weise, das kann auch negativ sein. Natürlich freut es mich, wenn dazu noch Komposition und Licht stimmen. Aber nicht das perfekte Bild ist das Gute, sondern das emotionale Bild, das den Moment rüberbringt. Ein gewöhnliches Motiv, bei dem alles perfektioniert ist, hat dagegen oft keine Emotion.

portrait of Daniela Reske
portrait of Daniela Reske

"Wichtig ist mir, das Geschehen so festzuhalten, wie es tatsächlich passiert ist – also wirkliche Reportage-Arbeit."

Dann kannst du also gut darüber hinwegsehen, wenn zum Beispiel mal was nicht ganz scharf ist, was eigentlich im Fokus sein sollte?

Wenn ein potentiell gutes Bild unbrauchbar unscharf ist, ärgert es mich natürlich. Ich arbeite viel offenblendig, da passiert es schnell, dass der Fokus nicht perfekt ist. Damit kann ich gut umgehen. Ich denke da an den Film, bei dem absichtlich der Fokus aufs Ohr gelegt wird, damit die Haut schöner wirkt. Du darfst bei Reportagen nicht perfektionistisch sein, sonst wirst du unglücklich. Ein Bild soll starke Geschichten erzählen und emotional berühren, das andere ist Nebensache. Gerade das mag ich an der Reportage.

Hast du manchmal Alpträume, wichtige Momente eines Fotoevents zu verpassen?

Die vordergründig wichtigen Momente, wie der Kuss nach der Trauung, sind natürlich Must-Haves. Da gehe ich einfach auf Sicherheit und erwarte keine großen Kunstwerke. Die wirklich guten Bilder mache ich an anderen Stellen. Du kannst nicht immer überall sein, kannst nicht alles erwischen, denn es geschieht ja so viel gleichzeitig. Ich bin aufmerksam und fokussiert und achte darauf, was um mich herum passiert. Weil ich schon morgens bei den Vorbereitungen dabei bin, bekomme ich mit, wer die wichtigen Menschen im Umfeld des Paares sind, wer einen besonderen Bezug hat. Da schaue ich, dass die oft festgehalten sind. Ich suche die Momente nicht, sondern ich halte Augen und Geist offen.

Bei klassischen Fotoshootings kommen erzählende Momente nicht unbedingt von selbst. Trotzdem schaffst du es auch da, deine ausdrucksstarke Bildsprache beizubehalten...

Auch Fotoshootings versuche ich so natürlich wie möglich zu halten. Ich habe keinen Plan im Kopf, wie die Menschen auf den Bildern aussehen sollen. Ich versuche immer herauszufinden, warum sie hier sind, was sie an meinen Fotos angezogen hat. Auf den Bildern versuche ich, Beziehungen zu zeigen und gebe keine Posen vor. Ich konstruiere den Rahmen, um dann möglichst viel dem Geschehen selbst zu überlassen. Wichtig ist, dass ich als Fotografin Coolness, Selbstverständlichkeit und Entspanntheit mitbringe, damit die Menschen vor der Kamera loslassen können. Wenn ich unsicher bin, wird das Shooting nichts. Sicherheit kommt aber mit Übung.

Daniela Reske with photo album

"Auf meinen Bildern versuche ich, Beziehungen zu zeigen."

Davon hast du nach zwölf Jahren als Fotografin bestimmt viel - sag mal, wie bist du eigentlich überhaupt zur Fotografie gekommen?

In der Schule haben wir eine Kamera Obscura gebaut, das hat mich total begeistert. Ich war immer ein visueller Mensch. Als meine Tochter da war, habe ich angefangen, sie zu fotografieren. Eine Freundin hat mich gefragt, ob ich ihre Hochzeit fotografiere und so hatte ich meine ersten Bilder. Vorher habe ich im Marketing gearbeitet und ich war sehr medienaffin. Das hat mir als selbständige Kreative geholfen, sichtbar zu werden.

Was waren oder sind deine größten Herausforderungen als Fotografin?

Schwierig wird es, wenn Menschen eine zu konkrete Vorstellung davon haben, wie sie wirken möchten. Das kommt vor allem im Business-Bereich vor. Ich habe dann das Gefühl, ich muss ihnen ein Kostüm anziehen, was ich ja gar nicht kann. Eine Herausforderung für jeden Fotografen ist, dass Menschen oft sehr selbstkritisch sind. Manche weisen schon während des Shootings darauf hin, dass man ja retuschieren könne. Da fange ich bereits an, zu vermitteln, dass ich als Fotograf nicht dazu da bin, sie schlanker zu machen. Natürlich fotografiere ich jeden schön und ästhetisch ansprechend. Wenn Menschen mit sich selbst nicht im Reinen sind, dann kann ich da als Fotograf nichts machen. Ich erlebe auch das Gegenteil: Letztes Jahr hatte ich sehr schöne Shootings mit Frauen, die sagten, sie wollen intimere Fotos von sich, weil sie jetzt mit sich im Reinen sind.

Du hast ja bereits an einem Buch mitgeschrieben, hast Workshops initiiert – gibt`s gerade neue Projekte bei dir?

Wenn es die Situation zulässt, werde ich in Zukunft sicher wieder Workshops anbieten. Mit einem Freund und Kollegen habe ich letztes Jahr einen Onlineshop eröffnet, über den wir Prints verkaufen. Und wir werden bestimmt auch wieder Ausstellungen machen.

Der Online Shop "Weitsein" , in dem es Prints von Daniela und ihren Kollegen Elmar Feuerbacher und Le Hai Linh gibt, heißt www.weitsein.com. Danielas Homepage ist www.danielareske.de

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Über die Autorin: www.business-fotografin.com

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