Interview

"Meine Kollektion muss zu meinem Lebensstil als Nomadin passen."

Im Gespräch mit Modedesignerin Johanna Riplinger

Das erste, was mir einfällt, als ich Modedesignerin Johanna Riplinger in Stuttgart treffe: La joie de vie! Sie strahlt und erinnert mich dabei so sehr an Paris und französische Eleganz. Johanna hat viele Jahre in Paris verbracht, ihr Modelabel "Johanna Riplinger" dort gegründet. Und nun bringt sie, nach einem Abstecher in Portugal, ein bisschen Paris ins Stuttgarter Einkaufszentrum „Gerber“. Zusammen mit anderen Kreativen präsentiert sie hier ihre Mode im Concept-Store FYRA CollectiveFYRA Collective, dessen Mitgründerin sie ist. . Sie schätzt die Möglichkeit als Nomadin zu leben, sagt sie. Die Stoffe für ihre Einzelstücke färbt sie von Hand und individuell mit Pflanzenfarben. Die Natur und natürliche Kreisläufe prägen allerdings nicht nur ihre Mode, sondern auch ihre Arbeitsweise als Selbständige. Wir haben uns erst im Store getroffen und später nochmal beim Färben im Garten. Beide Elemente gehören für sie untrennbar zusammen. 

Die Corona-Krise macht es den Modedesignern im Moment nicht einfach... Wie geht`s dir gerade damit Johanna?

Ich halte mich daran, das Beste aus jeder Situation zu machen, in der ich mich gerade befinde. Gerade jetzt hat sich unser Konzept des Kollektivs bei FYRA sehr bewährt. Vor allem wegen unseres ganzheitlichen Ansatzes einer 'Sharing Economy'. Momentan lebe ich in Tübingen, wo ich in der Natur meine Stoffe färbe. Natürlich freue ich mich aber auch, wenn ich bald wieder nach Paris fahren kann.

Gerade deine Liebe zur Natur hat deinen Weg als Modedesignerin entscheidend beeinflusst ...

Ich habe bereits im Studium mit Pflanzenfarben gearbeitet und wollte immer im Bereich Nachhaltigkeit und Fairtrade wirken. Inzwischen muss ich vieles von dem, was vor 20 Jahren noch auf Unverständnis gestoßen ist, gar nicht mehr erklären. Es ist schön in Harmonie mit der Natur kreativ zu sein. Mir ging es immer in erster Linie ums Design, aber die Natur soll nicht darunter leiden. Dazu gehört für mich aber nicht nur die äußere Natur, die Pflanzen, sondern auch die menschliche Natur, die menschliche Biodiversität. Deswegen schätze ich unsere Harmonie im FYRA-Team, unsere gegenseitige Wertschätzung im Kollektiv. Alle arbeiten auf Augenhöhe zusammen und doch ist jeder selbständig. Auch das bedeutet Natur für mich.

"Ich mache das meiste aus intrinsischer Motivation"

Was zeichnet deine Mode aus?

Meine Arbeit beginnt mit hochwertigem, biologischem und nachhaltigem Material. Ich kreiere gerne Kollektionen mit verschiedenen Themen. Kürzlich habe ich mehr individuelle Stücke auf Bestellung gemacht, etwa die Kimono-Kollektion. Kennzeichen sind der Pariser feminine Stil, Einfachheit und die Muster der Stoffe. Letztere entstehen durch die unkonventionelle Umsetzung der Japanischen Falt- und Färbetechnik Shibori, die ich beim Färben mit Pflanzenfarben anwende.

Auch deine Schnitte erinnern sehr an japanische Mode...

Ich war immer von Japan begeistert.  Als Kind hatten meine Eltern einen Gast aus Japan, der für uns eine Teezeremonie im Garten vorbereitet hat. Das hat mich sehr fasziniert. Während meines Studiums habe ich ein Trimester in Tokyo verbracht. Gerade komme ich stark zum Kimono zurück. Der Kimono ist extrem wandlungsfähig und daher ein sehr nomadisches Kleidungsstück. Er  kann als Mantel getragen werden, oder mit Gürtel als Kleid. Ich war immer von Japan begeistert.  Als Kind hatten meine Eltern einen Gast aus Japan, der für uns eine Teezeremonie im Garten vorbereitet hat. Das hat mich sehr fasziniert. Während meines Studiums habe ich ein Trimester in Tokyo verbracht. Gerade komme ich stark zum Kimono zurück. Der Kimono ist extrem wandlungsfähig und daher ein sehr nomadisches Kleidungsstück. Er kann als Mantel getragen werden, oder mit Gürtel als Kleid. Meine Kollektion muss zu meinem Lebensstil als Nomadin passen. In den Reisekoffer, in dem du deine Lichttechnik transportierst, würde meine Kollektion passen.  Traditionelle Japaner würden vermutlich sagen, das ist kein Kimono. Doch habe ich wesentliche Merkmale des japanischen Stils beibehalten: Überfluss an Kreativität in Verbindung mit Klarheit der Form. Er ist bequem, schick, feminin, passt jeder Figur - dünn dick, groß, klein. Ich möchte Frauen daran erinnern, welche Kraft in ihnen steckt.

Bevor du dein eigenes Label gegründet hast, hast du für namhafte Labels in Paris gearbeitet. Guy Laroche zum Beispiel, oder Ethos Paris. Dann hast du den Sprung in die Selbständigkeit gewagt. Viele Kreative scheuen sich davor, auch wenn sie davon träumen. Schließlich gehört zur Selbständigkeit nicht nur Design, sondern auch Marketing.

Ich habe immer gedacht, ich probier‘s mal auf meine Art und Weise. Und jetzt, nach fast zehn Jahren, bin ich immer noch da. Ich habe auch mal ein Jahr lang gar nichts auf Instagram gestellt - ich zwinge mich da nicht. Marketing-Experten würden mich da sicherlich rügen. Aber ich mache wirklich das meiste aus intrinsischer Motivation. Dazu gehört Mut, sich zu trauen, das zu tun, was einem entspricht. Mit zehn Jahren habe ich beschlossen, Modedesign zu machen. Und ich bin immer noch begeistert davon – habe dreifache Begeisterung im Vergleich zu früher! Natürlich gibt es immer Hochs und Tiefs. Aber in welchem Leben gibt’s das nicht. Aber ich bin auch ein Glückspilz und hatte viel Glück im Leben. 

Bestimmt hast du auch viel gelernt?

Noch vor 15 Jahren habe ich mich nicht als verkaufstüchtig eingeschätzt. Bis ich gelernt habe, was Verkauf eigentlich ist: menschlicher Austausch. Von da an, habe ich angefangen es zu lieben. Denn ich habe den Wert darin gesehen. Ich habe Verkauf nicht mehr als negativ betrachtet, sondern als wertvoll. Ich freue mich, wenn ein Kunde in den Laden kommt und unsere Dinge wertschätzt. Da mehrt sich die Freude bei uns beiden.  

Ausgerechnet das Verkaufen ist oft ein Problem für viele selbständige Modedesigner. Und damit verbunden eben auch die Finanzen...

Wir könnten mit unseren Fähigkeiten alle in großen Konzernen mehr verdienen. Aber für uns ist die intrinsische Motivation, die schöpferische Freiheit wichtiger. Zu lieben, was wir tun. Die Gesellschaft zwingt uns dazu, kommerzielle Dinge zu machen. Es ist die Aufgabe des Systems, sich dahingehend zu entwickeln, dass es den Menschen vereinfacht wird, erfüllt zu arbeiten. Es gibt einen Spruch: Success without fulfillment is the ultimate failure - Erfolg ohne Erfüllung ist der ultimative Misserfolg. Es wirklich zu schaffen, erfüllt zu leben, ist der größte Erfolg. Gestern hatten wir hier ein Fotoshooting. Das war für uns alle so ein Energie-Boost. Wir haben die Freude, an dem was wir machen, gefeiert. Unsere Gesellschaft braucht beides gleichermaßen: große, statische Konzerne und kleine Kreative.

"Unser Kollektiv hier hat Prototypcharakter -und ich habe mich eigentlich nie als Pionierin gesehen. Zusammen multiplizieren wir unsere Talente, stellen sie uns gegenseitig zur Verfügung. Dadurch machen wir gemeinsam auch viel besseres Marketing."

Was ist für kreative Selbständige in Zukunft wichtig?

Es gibt viele Plattformen für Kreative, die aber nicht von den Kreativen selbst geführt werden. Ich finde Plattformen sinnvoll, auf denen sich Kreative nicht nur vorstellen, sondern die sie aktiv mitgestalten können. Unser Kollektiv hier hat insofern Prototypcharakter -und ich habe mich eigentlich nie als Pionierin gesehen. Zusammen multiplizieren wir unsere Talente, stellen sie uns gegenseitig zur Verfügung. Dadurch machen wir gemeinsam auch viel besseres Marketing. Wir arbeiten immer auf Augenhöhe. Der Kunde ist zwar König, aber wir sind hier auch alle Chefs. Unsere Kunden sind eingeladen unsere Passion für unsere schönen, zeitlosen Dinge zu teilen. Dadurch dass wir alle im Laden stehen, haben wir direkten Kontakt zu unseren Kunden. Das inspiriert. Anregungen fließen schneller in die Kollektion mit ein, denn ich sehe direkt was Menschen brauchen und wollen. Langfristig wollen wir internationaler werden. Vor allem die Stuttgart-Paris-Achse ist da natürlich vielversprechend.  

You can find Johannas’ collections on www. johannariplinger.com.

Der FYRA Collective Store ist im Gerber Shopping Center, Sophienstraße 21, 70178 Stuttgart.

Die Homepage dazu ist www.fyra-collective.de

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Über die Autorin: www.business-fotografin.com

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